Die dritte und letzte Perspektive zum Neudenken einer Verfassung ist diese: Welche Rechte kommen der Gemeinschaft zu? Diese Perspektive steht im Gegensatz zur ersten, wo die Rechte des Einzelnen betrachtet wurden. Da es bei Rechten immer um Mensch zu Mensch Beziehungen geht – als einziger Mensch auf einer Insel braucht man keine Rechte zu regeln – wird klar, dass es sich hier um die Rechte der Gemeinschaft gegenüber des Einzelnen handelt. So wie bei unserer Betrachtung der Rechte des Einzelnen, es sich um den Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft handelte.
Mir kommt zuerst die Polizei, bzw. die Staatsgewalt, in den Sinn.
Doch ist das ein Recht? Interessanterweise hängt sie damit zusammen, dass der Einzelne nicht selber Gewalt ausüben darf. Der Einzelne gibt sein Recht auf Gewaltausübung ab im Austausch zur Gewaltausübung durch die Polizei, d.h. einer gemeinschaftlich bestimmten Institution. Die erste und die dritte Betrachtungsweise bedingen sich also gegenseitig, sind miteinander verknüpft. Das macht auch Sinn, weil die Angelegenheit dieselbe ist, nur die Perspektive eine andere. Beim einzelnen Menschen scheint mir Recht zutreffender zu sein, bei der Gemeinschaft der Begriff Pflicht. Recht und Pflicht bedingen sich.
Das Recht auf Gewalt sprechen wir uns zu, wenn es um die Selbstverteidigung geht. Hier scheint der Faktor Zeit eine Rolle zu spielen, weil in einer Notsituation die Polizei nicht rechtzeitig zu Hilfe eilen kann. Ansonsten wird keine Gewaltausübung des Einzelnen akzeptiert. Zumindest ist dies heute in vielen Ländern nicht mehr akzeptiert. Man darf sich nicht selbst am Anderen rächen. Im Gegenzug muss aber die Polizei, bzw. Justiz, eingreifen und in gewissem Sinne für die Rache sorgen.
Wenn ich mein Recht auf Gewaltausübung aufgebe, so entsteht die Pflicht der Gemeinschaft, diese Gewaltausübung zu übernehmen.
Als zweites Beispiel kommt mir die Infrastruktur, nehmen wir die Wege und Strassen, in den Sinn.
Hier komme ich zu einem vergleichbaren Schluss: Das Recht des Einzelnen, sich frei zu bewegen, bedingt, dass die Gemeinschaft dafür sorgen muss, dass dies gewährleistet ist. Die Gemeinschaft hat die Pflicht dafür zu sorgen, dass der Einzelne sich frei von A nach B bewegen kann. Das hängt auch damit zusammen, dass für die Infrastruktur von Strassen Boden benötigt wird und dieser letztlich der Gemeinschaft, d.h. allen gehört.
Wie ist das bei der Landesverteidigung, sprich Armee?
Hier geht es primär darum, dass sich ein Land gegen aussen verteidigen kann. Das eigene (einzelne) Land gegen ein anderes. Wir verlassen damit den ursprünglichen Rahmen und können auf der internationalen, höheren, Ebene wiederum mit der dreifachen Perspektive beginnen: das einzelne Land innerhalb aller Länder, Land zu Land, sowie alle Länder gegenüber dem einzelnen. Die Landesverteidigung verdient somit ein separates Kapitel in der Verfassung.